Interview: Devin Grayson - Frauen und Comics? Teil 1 - von Bj�rn Wederhake, Oktober 2004 Please click here
for the English version.
Mit diesem Interview starten wir eine lose Reihe von Artikeln und
Interviews �ber Frauen im Comicgesch�ft (welches ja bekanntlich einen
leichten M�nner�berschuss aufweist). Diesmal: Devin K. Grayson ist seit 1997 als
Autorin im Comicbereich t�tig. Sie hat unter anderem Catwoman,
X-Men: Evolution und zwei Black Widow-Miniserien
geschrieben. Derzeit schreibt sie Nightwing und hat letztes Jahr
den Roman Smallville: City ver�ffentlicht. Devin Grayson: Eigentlich hatte das mit Springen nichts zu tun. Das
erste Comicskript, das ich je verfasst habe, habe ich f�r das f�r
Batman zust�ndige B�ro bei DC-Comics geschrieben und seitdem bin
ich immer mit der ein oder anderen T�tigkeiten da geblieben.
Ich bin ohne irgendeinen Kontakt zu Comics gro� geworden (meine
Erziehung war eher hippiem��ig, gegen die Popkultur) und hatte wirklich
keine einzige Ausgabe irgendeines Comics gelesen, als ich Batman
Animated im Fernsehen sah. Zu der Zeit lebte ich in einem Apartment in
San Francisco mit einer Freundin, arbeitete am �rtlichen medizinischen
Zentrum und besuchte nach dem Ende meines Studiums Nachtkurse an der
Universit�t Berkley in �Creative Writing�, nachdem ich vorher meinen
Bachelor of Fine Arts in Englischer Literatur am Bard College gemacht
hatte. Ich wusste schon, dass ich Autorin werden w�rde, aber ich hatte
angenommen, ich w�rde mit der �Great American Novel� k�mpfen. Wenn du mir
damals gesagt h�ttest, dass ich mal Comics schreiben w�rde, ich h�tte kaum
verstanden, wovon du da sprichst. Aber die Sendung hat mich wirklich
gepackt� die Pr�sentation war sehr anspruchsvoll und erwachsen. Die
Geschichten hatten eine ziemlich intelligente Art und die Interaktion
zwischen Batman und Robin war� tja, fast sofort der Grund der
Besessenheit.
Ich hatte einen guten Freund, der damals in einem Comicladen arbeitete.
Ich war klug genug, ihn am Wochenende, nachdem ich Batman Animated
entdeckt hatte, auf der Arbeit zu besuchen und ihn anzubetteln, dass er
mich weiterbildet. Ein paar hundert Dollar sp�ter nahm mein Leben eine
Kehrtwende. Ich verlie� den Laden damals mit den Armen voller Klassiker.
Alles von Neil Gaimans Sandman bis zu Millers Dark Knight
(ganz zu schweigen von allem von Alan Moore, was ich finden konnte),
tonnenweise alte Batman-Hefte ebenso wie die (damals) neuen
Ausgaben der Teen Titans. Au�erdem ein paar B�cher �ber das
Comichandwerk wie Eisners Comics and Sequential Art und Scott
McClouds brillantes Understanding Comics. Ich wei� nicht, wie sich
das f�r Leute anf�hlt, die mit dem Lesen von Comics gro� geworden sind,
aber f�r mich war diese Entdeckung �berw�ltigend. Ich wollte alles �ber
das Medium und die Charaktere wissen, und w�hrend der folgenden Monate
ausf�hrlichen Studiums begann ich meine eigenen, kleinen Geschichten �ber
meinen Lieblingscharakter (ratet mal welchen) zu schreiben. Noch bevor ich
wusste, dass man das �fan fiction� nennt oder dass Tausende andere Leute
mit demselben aufopferungsvollen Ritual besch�ftigt waren. Mir wurde klar,
dass die Charakter durch Copyright gesch�tzt waren und darum einem
Unternehmen geh�ren mussten, mit dem ich direkt Kontakt aufnehmen k�nnte.
Ich fand die Nummer von DC in einem Telefonbuch auf der Arbeit und rief
einfach so das Bat-B�ro an. Ich glaube, ich habe darum gebeten mit �dem
Kerl, der f�r Batman verantwortlich ist� zu sprechen. Das war, wie sich
herausstellte, Denny O�Neil. Ich sagte ihm, dass ich eine begeisterte
Studentin der Belletristik w�re, aber dass ich noch in der Lernphase in
Sachen Comics sei. Ich fragte, ob es spezielle Kurse, die ich besuchen
oder B�cher, die ich lesen k�nnte, g�be, durch die ich genug lernen w�rde,
um eventuell eines Tages die Batman-Charaktere zu schreiben. F�r einen
Moment war er still und dann lachte er laut genug f�r zwanzig Mann, bevor
er mir erz�hlte, dass er t�glich �ber hundert Briefe und Anrufe von Leuten
bek�me, die jeden Comic, der je geschrieben wurde, gelesen hatten und die
wollten, dass man ihnen beibringt, wie man schreibt. Und das k�nne er nun
mal nicht. F�r ihn und seine Belegschaft war es allerdings leicht, mir
etwas �ber Comics beizubringen.
Etwa �ber das n�chste Jahr hinweg hatte ich einigerma�en regelm��igen
Telefon- und Faxkontakt mit dem Bat-B�ro. Meisten sprach ich mit Redakteur
Scott Peterson �ber Alan-Moore-Comics und die Geschichte und die aus ihr
resultierenden, t�glichen Praktiken der Comicindustrie. Auf einen
Ratschlag hin besuchte ich ein paar spezielle Kurse, etwa Robert McKees
heute ber�chtigten Workshop �ber die Strukturierung von Geschichten. Und
ich schickte ihnen einige meiner Geschichten, nur damit sie die Qualit�t
meines Prosa-Schreibstils sehen konnten. Darren Vincenzoi rief mich eines
Morgens vor der Arbeit an (wegen der Zeitverschiebung zwischen San
Francisco und New York war das eine ungew�hnlich fr�he Morgenaktivit�t f�r
mich) und wohl mit einem Grinsen, das von Ohr zu Ohr ging � ich konnte
sein L�cheln durchs Telephon h�ren � fragte er mich, ob ich glaubte, dass
ich bereit sei, ein Skript f�r eine kleine, achtseitige Geschichte in
The Batman Chronicles zu schreiben. Er wollte eine kleine,
pers�nliche Geschichte �ber Dick [Grayson] und Donna [Troy], und er
dachte, ich w�sste mehr als genug �ber die Charaktere, um das
durchzuziehen.
Und seitdem habe ich mehr oder weniger dauerhaft f�r das Bat-B�ro
gearbeitet. Ich bin dann schlie�lich f�r einige Zeit nach New York
gezogen, um all diese au�ergew�hnlichen Leute pers�nlich kennenzulernen.
Dann bin ich aber doch zuletzt wieder in die Bay Area zur�ckgezogen, wo
ich bis zum heutigen Tage lebe und arbeite. Meine Skripts schicke ich via
E-Mail an ein ganz neues Bat-B�ro.
DG: K�nnen wir zuerst �ber John Byrne reden? Nein, schon gut� *tief
Luft hol*
Ich stimme zu, dass sehr wenige Frauen in der
US-Mainstream-Comicindustrie arbeiten. Zumindest, was Autorinnen und
Zeichnerinnen angeht (es gibt allerdings ein paar Frauen in der Verwaltung
und eine Handvoll wirklich guter Redakteurinnen, zumindest bei DC). Ich
glaube ernsthaft, dass der Hauptgrund hierf�r nicht eine besondere
Unwilligkeit der Comicindustrie ist, Frauen einzustellen � ich denke, es
hat mir eher genutzt als geschadet, dass ich eine Frau bin, weil das etwas
Neues f�r sie war � , sondern dass die meisten Leute, die daran
interessiert sind, Mainstream-Superheldencomics zu schreiben, einfach
nicht weiblich sind. Dazu kommen wir gleich noch.
Um es mal diplomatisch auszudr�cken: ich habe die erste H�lfte meiner
Comickarriere damit verbracht, wieder und wieder abzustreiten, dass ich je
aufgrund meines Geschlechts diskriminiert worden w�re (nur von Seiten der
Industrie aus � ich habe das massenhaft von Fans und besonders von der
Comicpresse erlebt). Aber mit neuen Firmenvorst�nden kommen neue
Erfahrungen, und ehrlich gesagt, heute sehe ich das anders. Trotzdem, ich
f�hle mich immer noch nicht au�ergew�hnlich anders als damals, als ich in
der Pflege gearbeitet habe, oder w�hrend der kurzen Zeit, in der ich
gelehrt habe. Diese sexistischen Dinge, denen ich bei der Arbeit am
meisten begegne � nach dem Motto �Oh, du bist wahrscheinlich nicht so hei�
darauf, Actionszenen zu schreiben, wo du doch ein M�dchen bist und so�,
�Ich nehme mal an, du hast dich hochgeschlafen, denn so kommen Frauen ja
nun mal voran�, �Ich werde w�hrend dieses Meetings viel lauter und
kr�ftiger reden und niemals bemerken, wie oft ich dich unterbreche�, �Hier
ist ein Produkt f�r M�dchen [Figur, Thema], und du bist ein M�dchen, also
werde ich dich bitten, das hier zu machen anstatt irgendwas von dem
besseren �m�nnlichen� Zeug� � sind Dinge, mit denen alle arbeitenden
Frauen in jeder Branche, die ich mir vorstellen kann, zu tun haben.
Tats�chlich kann es sogar sein, dass die von uns, die in Bereichen
arbeiten, in denen es ziemlich an Frauen mangelt, besser dran sind, weil
die Reaktion auf unsere Anwesenheit noch keine Gelegenheit hatte, sich zu
verfestigen. Ich bekomme dasselbe Seitengehalt wie meine m�nnlichen
Kollegen, w�hrend die meisten weiblichen Arbeitskr�fte in diesem Land
weniger verdienen als M�nner in der gleichen Position. Aber trotzdem sind
meine Willkommenspr�mien immer niedriger � ein direktes Ergebnis der
Marketingwirkung? Kann sein. Schwer, das zu sagen, und es ist fast
unm�glich, so etwas pers�nlich zu nehmen, wenn ich wei�, dass all meine
weiblichen Freunde und Kollegen dasselbe durchmachen.
Um es deutlicher zu machen, ich wurde, in der gesamten Zeit, in der ich
im Comicgesch�ft arbeite, nicht einmal von einem Redakteur gefragt, ob ich
mich, wo ich doch eine Frau bin, dazu bef�higt f�hle, einen bestimmten
Charakter, Stil oder �ber ein bestimmtes Thema zu schreiben. Im Gegenzug
stellt mir meine Leserschaft und die Presse die Frage fast t�glich.
Hier ist der Grund, warum ich eher zur�ckhaltend bin, wenn es darum
geht, diese Angelegenheit zu diskutieren: die Frage wird oft gestellt und
so sehr ich mir auch w�nschte, dass meine Reaktion so etwas w�re wie
�hurra, hier ist eine Gelegenheit, intelligent �ber Geschlechtervorurteile
zu sprechen�, denke ich mir dann meistens doch eher �verdammt, da
verschwindet meine Identit�t als Mensch und Autorin�.
Ich verdrehe dann die Augen oder seufze oder blase
mir den Pony aus der Stirn und versuche, eine clevere Antwort zu geben
(�Ich glaub', ich w�re lieber ein m�nnlicher Autor.� � �Das ist toll, bis
auf PMS [Pr�menstruelles Syndrom � Anm. d. Red.].� � �Gut, au�er wenn man
mich DAS fragt.�), und dann, sobald sich die Gelegenheit bietet, rufe ich
meine Freunde an und beschwere mich erbittert �ber die Klemme, in der ich
sitze. �Heute hat wieder jemand �die Frage� gestellt�, donnere ich dann.
�Als wenn ich Superhelden wirklich anders schreibe, nur weil ich einen BH
unter meiner Kevlarweste trage � also, bitte! Fragen die Chuck Dixon, wie
es ist, als MANN Comics zu schreiben? Wann verstehen die Leute endlich,
dass das Geschlecht nicht wichtig ist!?� Ich bin so entr�stet, weil ich,
wie die meisten Leute, die sich lauthals aufregen, wei�, dass ich,
zumindest teilweise, total falsch liege.
Es ist eine wirklich gute Frage. Und dadurch er�ffnen sich Gespr�chsthemen, �ber die zu reden
unglaublich schwierig ist. Meistens wei� ich nicht mal, wie ich mich als
Frau f�hle, ganz zu schweigen von �als Comics schreibende Frau�. Meistens
f�hle ich mich genau so unwohl dabei, als vorbildliche Pionierin f�r junge
M�dchen eingeordnet zu werden, wie ich mich unwohl dabei f�hle, als
�irgendein Autorinnenp�ppchen� abgestempelt zu werden. Meistens k�mpfe ich
so hart dagegen an, in eine der Rollen, die alle Menschen in ihrem
allt�glichen Leben spielen, eingeordnet zu werden, dass ich erst gar nicht
zu den Punkten rund um Geschlechterdiskriminierung komme.
Selbst wenn ich darauf zu sprechen komme, dann nur auf mich selbst
bezogen. Jede einzelne Frau, mit der ich dar�ber gesprochen habe, hatte
eine individuelle Sichtweise zu dem Thema. Ich nenne es lieber
�geschlechterspezifische Vorurteile� als �Sexismus� weil ich das als zwei
unterschiedliche Ph�nomene auffasse. Sexismus basiert auf Frauenhass � es
ist wirklich b�se, f�r gew�hnlich an Geschlechterpolitik gebunden und
selten schrecklich subtil. Geschlechterspezifische Vorurteile andererseits
findet man jederzeit und �berall. Genau das ist der Grund, warum Frauen es
oft so schwer finden, deutlich und intelligent dar�ber zu sprechen, wie es
ist, in einem von M�nnern dominierten Feld zu arbeiten. Die Frage beginnt
irgendwie mit der Annahme, dass wir uns bis auf diese eine Ausnahme in
unseren Leben � diese von M�nnern dominierte Industrie, die wir �zu
erobern beschlossen haben� � von Geschlechterangelegenheiten unbehindert
durch die Welt gehen.
Ja, sicher.
Aber hier liegt das andere Problem. Obwohl ich sofort eine Liste an
Ereignissen runterbeten k�nnte, die offensichtlich, zum Guten oder zum
Schlechten (und beides kann stimmen), durch mein Geschlecht beeinflusst
wurden � auf der Arbeit oder in jedem anderen Gebiet meines Lebens �
Junge, da habe ich so was von keine Lust drauf. Ich w�rde da zuerst mal
das Risiko eingehen, dass ich kl�nge, als wenn ich mich in irgendeiner
Hinsicht als Opfer pr�sentieren wollte, als jemand der aus einer
benachteiligten Position heraus arbeitet. In vielerlei Hinsicht ist die
Position, aus der ich herausarbeite, alles andere als das. Ich habe jeder
Industrie, mit der ich zu tun habe, viel zu bieten � sowohl als Person als
auch, wenn auch nur durch den Vorteil eine frische oder abweichende
Perspektive zu bieten, als Frau.
Wenn ich zwischen den W�nschen, mich �ber mein Geschlecht zu beschweren
oder damit aufzutrumpfen, feststecke, dann ist es sehr verf�hrerisch,
solche Dinge einfach mit einem Lachen zu verdr�ngen, jede Andeutung von
vorurteilsbeladenen Faktoren einfach mit einem am�sierten Stirnrunzeln
abzuwinken und zu sagen �nee, geht mich nichts an, hat gar nichts mit mir
zu tun�. Geschlechterspezifische Vorurteile sind eine Tatsache, und eine
Person, der es trotzdem ganz gut geht � trotz der Schwierigkeiten � nun,
warum sollte die pl�tzlich die Aufmerksamkeit auf ein Thema lenken wollen,
das sie durch das Gl�ck ihres Erfolges mehr oder weniger effektiv
umschifft hat? Hat es meiner F�higkeit, f�r diese Industrie zu arbeiten,
geschadet, dass ich eine Frau bin? Offensichtlich nicht. Also, lassen
wir�s einfach dabei bewenden. Wechseln wir das Thema, bevor ich dadurch,
dass ich zustimme, geschlechterpolitische Themen zu diskutieren, das
ohnehin schon viel zu allgegenw�rtige Risiko, dass meine Arbeit nur nach
diesem Aspekt � und keinem anderen � beurteilt wird, noch erh�he.
Das ist immerhin der endg�ltige und inh�rente Widerspruch, den
geschlechterspezifische Vorurteile f�r Frauen haben: das alles zu
ignorieren hilft den Vorurteilen nur, aufzubl�hen. Aber die Vorurteile
anzuerkennen bedeutet, die Wirkung, die sie auf dich und die Art, wie die
Welt deine Arbeit auffasst, haben, noch zu verst�rken.
DG: Ich denke, das hat mehr mit deiner ersten Vermutung zu tun. Die
meisten Frauen, mit denen ich geredet habe und die Independent-Comics
machen � in denen sie mit ihren eigenen Charakteren arbeiten und jede Art
von Geschichte erz�hlen k�nnen, die sie erz�hlen m�chten � , kommen mir so
vor, als ob sie kein gro�es Interesse daran h�tten, den Mainstreamcomics
zu schreiben. Die paar, die scheinbar keine �berm��igen Probleme haben,
angestellt zu werden, obwohl sie alle Frauen sind, scheinen, soweit ich
das beurteilen kann (und ich w�rde mich da auf jeden Fall einschlie�en) ,
immer augenblicklich �M�dchen�-Titel� wie Catwoman oder Birds of
Prey zugewiesen zu bekommen. Das muss aufh�ren, es ist unglaublich
nervig (ganz zu schweigen davon, dass es geschlechterbefangen ist). Aber
zur Ehrenrettung der Redakteure: Ich kann mir vorstellen, dass sie die
M�glichkeit interessant finden, da jemand an diesen Heften zu haben, von
dem sie das Gef�hl haben, dass sie sich wirklich mit den Charakteren
�verbunden f�hlen� oder sie verstehen. Aber das ist der Punkt, an dem ich
das Gef�hl habe, dass die Comicindustrie ein bisschen seltsam wird. Glaub
mir, ich habe mehr mit Nightwing gemein als mit Wonder Woman. Mein
Geschlecht ist nicht der entscheidende Faktor bei meiner Schreibf�higkeit
oder auch meiner F�higkeit, mich mit Menschen verbunden zu f�hlen. Ich bin
eine Autorin, und da niemand auch nur f�r eine Sekunde denkt, dass meine
m�nnlichen Kollegen nicht in der Lage sind, weibliche Charaktere zu
schreiben, h�tte ich es gerne, dass verstanden wird, dass ich in der Lage
bin, m�nnliche Charaktere zu schreiben.
DG: Tja, nun, dem stimme ich zu. Mainstream-Superheldencomics sind
haupts�chlich Machtfantasien f�r m�nnliche Heranwachsende, und Hitch ist
nicht der erste, der diese Phrase benutzt oder gepr�gt hat. Ich glaube, da
besteht eine Tendenz � aber auch nur eine Tendenz, keineswegs ein
festgeschriebenes Gesetz � , dass M�nner eher an Action und Kampfszenen
interessiert sind und Frauen eher an Beziehungen und Dialogen. In
Superheldencomics geht es normalerweise nicht um anspruchsvolle
Konfliktl�sung, und es gibt wirklich Redakteure (und wahrscheinlich auch
K�nstler), die eine Ausgabe als nicht komplett ansehen, ehe der
Hauptcharakter sein Kost�m anzieht und jemanden schl�gt.
Mir kommt es so vor, als ginge die Comicindustrie andauernd durch
wiederkehrende Kreativphasen. Als ich zum ersten Mal Interesse an Comics
entwickelte, war die Sandman-Serie gerade in ihrer Bl�tezeit.
Comics waren unglaublich literarisch, dialoglastig und voll mit einer
reichen Symbolik, so dass selten Gewalt genutzt werden musste, um
Interesse zu wecken. Die Teen Titans waren unter Wolfman und Perez
eine wahnsinnige Seifenoper und hatten, glaube ich, eine ungew�hnlich
starke weibliche Anh�ngerschaft (so wie nat�rlich auch Gaiman). Ich liebe
Action, vor allem Martial Arts, aber ich glaube, es ist nur fair zu sagen,
dass die meisten meiner Comics eher charakter- als handlungsbasiert sind
und dass die Betonung normalerweise eher auf emotionalem als auf
k�rperlichem Leiden liegt. Ist das so, weil ich ein M�dchen bin?
*schulterzuck* Vielleicht. Aber ich hatte das Gl�ck, dazu zu sto�en, als
etwas vor sich ging, das sich wie eine ganze Bewegung aus psychologischer
Charaktererforschung und B�chern �hnlicher Storylines anf�hlte.
Zuletzt haben wir eine leichte R�ckw�rtsbewegung, weg von dieser
Situation, erlebt. Trotz des �berw�ltigenden Erfolges von gut
geschriebenen Projekten wie Bendis Ultimate Spider-Man (der f�r
einen Actioncomic wirklich verdammt dialoglastig ist) fangen wir gerade
wieder an, in eine Phase der Mega-Action zur�ckzurutschen. Das
Mainstreammaterial ist pl�tzlich voller Nostalgie. Das Wiederauftauchen
alter Charaktere, epischer K�mpfe und Superschurken. Ich merke, dass ich
da weniger interessiert bin, und trotzdem ist das die Richtung, die die
Firma, f�r die ich arbeite, eindeutig eingeschlagen hat. Teilweise liegt
es an der F�hrung, teilweise liegt es an der Auswahl und Anzahl an
beteiligten K�nstlern (weniger Abwechslungsreichtum beim Kreativpersonal
f�hrt nat�rlich zu weniger Abwechslung in Sachen Inhalt) und teilweise ist
es wahrscheinlich eine gesellschaftliche Sache � eine Antwort auf den
nationalen Zeitgeist.
Was den idealen Leser angeht: Mir gef�llt die Idee, Leute anzuziehen,
die bisher noch keine Comics gelesen haben. Leser, die Interesse an
vielschichtigen Storylines haben und nicht nur auf den n�chsten
Superschurkengaststar warten. Das klingt jetzt vielleicht komisch, aber
ich habe immer ein gutes Gef�hl in Bezug auf eine Geschichte, wenn meiner
Mutter etwas daran gef�llt.
DG: Auf jeden Fall. Das Verh�ltnis ist in Richtung Frauen ein wenig
angewachsen und nimmt jetzt wieder ab, zumindest national gesehen
(international scheint es ausgeglichener zu sein). Aber ich erhalte eine
Menge positives Feedback, Unterst�tzung und Dankbarkeit von meinen
weiblichen Lesern. M�tter kommen manchmal auf Conventions zu mir und
stellen mir ihre T�chter vor, in der Hoffnung, dass sie diese so ermutigen
k�nnen, Comicautor als Karriereweg zu verfolgen (obwohl MEINE Mutter sich
nat�rlich w�nscht, dass ich Romane schreibe! *lach*). Und Kerle kommen und
erz�hlen mir, wie sehr ihre Freundinnen meine Sachen lieben (manchmal
haben sie dabei ihre sch�chternen Freundinnen im Schlepptau). Ich
verstehe, dass es f�r sie wichtig ist, dass sie da eine von ihnen hinter
dem Signiertisch sitzen sehen, und das respektiere ich. Ich bin froh, dass
ich ihre Wahrnehmung von dem, was Frauen in dieser Welt erreichen k�nnen,
erweitern kann, oder dass ich generell bei meinem Geschlecht Interesse f�r
dieses unglaubliche Medium wecken kann. Aber all das war das Letzte, das
ich im Sinn hatte, als ich mit Comics angefangen habe, und mir ist ein
wenig unwohl dabei, daf�r gelobt zu werden. Es ist einfach nur ein
gl�cklicher Zufall, aber manchmal habe ich das Gef�hl, dass ich mit meinen
Errungenschaften eher im Sinne der Pionierleistung als der kreativen
Leistung zufrieden sein sollte.
DG: Naja, das sind zwei unterschiedliche Dinge. Einerseits der
Charakter Catwoman selber und andererseits die k�nstlerische
Zusammenarbeit von Jim Balent und mir. Um beim Charakter anzufangen, ich
hatte kein Probem damit, dass Selina eine wahnsinnig unabh�ngige, extrem
f�hige, junge Frau ist, die Gefallen fand an ihrer eigenen Sexualit�t und
der Macht, die sie dadurch �ber viele M�nner erhielt. Catwoman ist der
pure Archetyp der Femme Fatale. Sie hat vollst�ndige Kontrolle �ber die
Art, wie sie wahr genommen wird, und sie f�hlt sich ausgesprochen wohl in
ihrer eigenen Haut. Sie ist eine Meisterin der Manipulation, die sich des
Effekts, den sie auf andere Leute aus�bt, �u�erst bewusst ist und diesen �
so wie auch ihre Intelligenz, ihre St�rke, ihren Mut, ihre Bestimmtheit
und ihr Repertoire an besonderen F�higkeiten � zu ihrem gr��tm�glichen
Vorteil verwendet. Ich habe es geliebt, sie zu schreiben und ihre
Sinnlichkeit, f�r die sie sich nicht entschuldigen musste, zu feiern.
Und die richtige Antwort auf irgendwelches Unbehagen, das hierdurch
ausgel�st wird, ist es sicher nicht, sie zu entsexualisieren. Die aktuelle
Version von Catwoman ist viel zahmer, sexuell viel weniger eindeutig, viel
zur�ckhaltender, und, meiner Meinung nach, verdammt freudlos und trocken.
Sie kommt mir irgendwie beschnitten vor. Es ist, als ob wir in so einer
Eile w�ren, f�r die Sexsymbole der Vergangenheit zu s�hnen, dass wir einen
exklusiven Kader aggressiver, eisenharter weiblicher Charaktere, die z�h
wie Leder sind, kreieren. Als w�re das kein Klischee. Wo sind die M�tter,
die Ern�hrer, die K�nstler, die begeisterten, jungen
Politikinteressierten? Wo sind Dumpfbacken und Anti-Dumpfbacken,
zeitgem��e Frauen in all ihren Rollen und mit all ihrer Komplexit�t?
Gr��tenteils entscheiden wir uns immer noch zwischen Sexbomben mit
Luftballonbr�sten und eiskalten, t�dlichen Schlampen. Nicht etwa, dass
m�nnliche Charaktere in Comics ein wahnsinnig breites Spektrum abdecken
w�rden, keineswegs. Aber zumindest d�rfen sie sexuell und attraktiv sein,
ohne dass es f�r jemanden ein Problem zu sein scheint.
Jetzt zu der Sache mit Jim Balent� ich glaube, wir waren nicht die
bestm�gliche Paarung. Ich mag Jim wirklich, es war toll mit ihm zu
arbeiten, er geht sehr gut auf die Skripts ein, und er ist ganz sicher
sehr bei der Sache, wenn er arbeitet. Aber du hast Recht: Oft hatte ich am
Ende ein Produkt, das ich nur ungern meinen Freunden oder meiner Familie
pr�sentiert h�tte. Nicht weil Catwoman gro�e Br�ste hatte � offen gesagt,
die habe ich auch, und ich wei�, dass sie kein Zeichen f�r
unterdurchschnittliche Intelligenz sind � , sondern weil sie, wie du
andeutest, in einer gewissen fetischistischen Art pr�sentiert wurde. Ich
wei� noch, dass das einzige Mal, als ich wirklich w�tend geworden bin,
war, als sie in einer Ausgabe auf ihrem Stei�bein landete und dabei ihre
Beine spreizte. Ich habe zwar verstanden, dass dieses �Beine breit�-Ding
provokativ sein sollte, aber diese Frau soll akrobatisch und athletisch
sein, und wenn solche Qualit�ten ausgemerzt werden, um einen gewissen Reiz
zu bieten, dann ja, damit hatte ich ein Problem. Ingesamt sehe ich aber
trotzdem mit Stolz auf diese Skripts zur�ck, nur dass ich selten die
dazugeh�rigen Hefte herauskrame. Und trotzdem, wenn Jim Balent der H�ter
der sexuellen, verspielten Selina war, die sich auch mal etwas g�nnte,
dann sch�tze ich, h�tte ich ihn schon gerne irgendwie zur�ck.
DG: Niemand hat mir je gesagt, mehr auf Sex zu setzen, wenn es das ist,
wonach du fragst. Das musste aber auch nie jemand. Ich liebe es, �ber
sexuelle Spannung und Provokation zu schreiben, und tats�chlich, einige
dieser fr�hen Geschichten, die ich an DC schickte, waren nicht gerade
jugendfrei. Insofern bin ich mir sicher, dass die Redakteure, als sie mich
eingestellt haben, wussten, dass ich von mir aus diese Richtung
einschlagen w�rde. Wenn �berhaupt, dann halten sie mich f�r gew�hnlich
eher zur�ck (ich erinnere mich beispielsweise an eine lange Diskussion
dar�ber, eine Kondompackung auf einem Nachtisch liegen zu haben. Leider
stellte sich heraus, dass das nicht dem Comic Code entspricht - die
Andeutung von ungesch�tzten Sex aber offenbar schon...).
DG: Nat�rlich. Letzten Endes muss Batman ja noch losziehen, um
Zahnpasta zu verkaufen, und da ist immer jemand der dir auf die Finger
schaut. Ich hatte da sehr viel Gl�ck und f�r gew�hnlich mutige und
progressiv denkende Redakteure, die meinen Wahnsinn meistens f�rderten,
sogar mitgemacht haben oder mir meine Ruhe lie�en. Aber sie und ich
wissen, dass sie das letzte Wort haben. Die Charaktere geh�ren einem
Unternehmen, und so sehr ich auch versuche, sie mir anzueignen: Als
unabh�ngige Vertragsangestellte hast du nie wirkliche Kontrolle �ber sie,
was emotional gesehen tats�chlich der h�rteste Teil der Arbeit sein mag.
DG: Oh, das war kein Scherz, und ich bin so froh, dass du die Frage
gestellt hast. Hier sind ein paar Ideen:
Findest du es schwer, �berzeugende weibliche Figuren zu schreiben?
Machst du dir je Gedanken, ob du dein weibliches Publikum entfremdest,
oder verbringst du irgendwelche Zeit damit, nachzudenken, wie du sie
ansprechen kannst? Glaubst du, dass das in deinen Verantwortungsbereich
f�llt? Denkst du, dass es in den Verantwortungsbereich deiner weiblichen
Kollegen f�llt?
Denkst du, dass M�nner und Frauen unterschiedliche Interessen haben,
wenn es ums Lesen geht?
Wenn du einen weiblichen Charakter entwirfst, denkst du besonders
dar�ber nach? Bittest du vielleicht eine Freundin um Input, oder gibst du
zus�tzliche Beschreibungen an den Zeichner, was das Aussehen und die
Darstellung ihrer Gedankenwelt und ihres psychologischen Profils betrifft?
F�hlst du dich irgendwie verantwortlich, realistische, heldenhafte
weibliche Charaktere zu erschaffen, die nicht in erster Linie durch ihre
Beziehung zu einem m�nnlichen Helden oder Schurken definiert sind? Denkst
du, dass deine weiblichen Kollegen sich f�r die Schaffung solcher
Charaktere verantwortlich f�hlen sollten?
W�rdest du deinen dreizehnj�hrigen Sohn deine Arbeiten lesen lassen?
Deine dreizehnj�hrige Tochter? Was denkst du, w�rde er aus dieser
Erfahrung mitnehmen? Was w�rde sie mitnehmen?
Wie f�hlst du dich, wenn du mit Frauen um einen Arbeitsauftrag ringst?
Ist es schwer, deine Position als Mann in einer Industrie zu verteidigen,
die schon mit M�nnern �berladen ist?
Denkst du, dass die Leute in der Industrie dich anders behandeln, weil
du ein Mann bist?
Wie w�rdest du dich f�hlen wenn du ein Interview f�hrst, das sich
ausschlie�lich auf dein Geschlecht konzentriert, ohne Diskussion �ber
deine Arbeit oder die Art, wie du schreibst? Wie w�rdest du dich f�hlen,
wenn der Gro�teil deiner Interviews und �ffentlichen Auftritte so
abliefen?
Viele Leute nehmen an, dass Frauen von Natur aus interessierter daran
sind und darum besser im Dialoge schreiben und der
Charakterdifferenzierung, die mit menschlicher Interaktion einhergehen.
Glaubst du, dass es ein Nachteil ist, dass du als Autor keine so tiefe
Einsicht in die Dynamik einer Beziehung hast wie deine weiblichen
Kollegen? Wie kompensierst du das?
Mit wem gehst du zurzeit aus? Warum glaubst du, dass deinen Kolleginnen
diese Frage dauernd gestellt wird?
Und meine Frage Nummer Eins:
Komm schon, jetzt mal im Ernst. Hast du jemals wirklich gesehen, wie
eine Frau Eiscreme direkt aus einem 7,5 Liter-Eimer isst?
Auf Comicgate gibt es �brigens noch ein �lteres Interview mit Devin
Grayson. |
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